Sind Hunde aus dem Tierheim dankbar?

Hol dir einen Tierschutzhund, der wird auf immer dankbar sein! Dankbarkeit wird fürchterlich gerne als Vorteil bei Vierbeinern aus dem Tierheim angeführt. Doch die Realität sieht anders aus und ist für so manchen eine Enttäuschung. Dabei kann das Leben mit einem Hund aus dem Tierschutz eine große Bereicherung sein – wenn du keine falschen Vorstellungen hast.

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  1. Sind Hunde aus dem Tierschutz dankbar?
    1. Der Einzug ist ein Trauma
    2. Keine Dankbarkeit beim Hund – Ungeduld beim Menschen
    3. Falsche Vorstellungen
    4. Auch ohne Dankbarkeit lohnend  

Sind Hunde aus dem Tierschutz dankbar?

Ob der Hund aus dem hiesigen Tierheim oder aus einer Tötungsstation stammt – bei dir geht es ihm besser. Kuschliges Hundebett, regelmäßige Spaziergänge und Mahlzeiten, Spielzeug und das bloße Dach über dem Kopf sind entscheidende Vorteile und objektiv betrachtet besser als das Leben ohne festen Halter im Zwinger oder drohender Tod.

Warum sind gerettete Hunde also nicht dankbar?

Das wird dir klar, sobald du die Situation aus Sicht des Hundes betrachtest.

Der Einzug ist ein Trauma

Stell dir vor, du wirst von deiner Mutter und deinen Geschwistern getrennt. Du kommst zu neuen Menschen, deren Sprache du nicht sprichst. Du verstehst nicht, warum du nicht mehr bei deiner Familie sein kannst.

Das ist bereits verwirrend, beängstigend und verunsichernd genug. Es ist ein Trauma.

Nach einer Weile lebst du dich ein. Du kennst die Abläufe, die neuen Menschen sind deine Freunde, du fühlst dich wohl und bist zu Hause. Eines Tages landest du ebenso unerklärlich wie du in dieses Zuhause gekommen bist, in einem Käfig.

Die Umgebung ist fremd, die Menschen sind fremd, nebenan kläffen andere Hunde. Mit einem Schlag ist nichts mehr, wie es war.

Hin und wieder schauen dich fremde Menschen an und nach einer Weile nimmt dich einer dieser Menschen mit. Plötzlich wohnst du wieder woanders. Alle vertrauten Gerüche, Geräusche und Tiere sind weg. Du kennst niemanden. Du kennst die Regeln nicht und wie lange das dieses Mal hält, weißt du auch nicht.

Bist du an dieser Stelle dankbar? Oder doch eher verwirrt und verunsichert? Hast du Vertrauen und fühlst dich wie bei einem Lottogewinn? Oder verstehst du gerade die Welt nicht mehr und bist überfordert?

Hierbei handelt es sich „nur“ um einen Hund, der bereits einen Halter hatte, Vertrauen zu Menschen hat und bereits in einer Wohnung lebte. Jetzt stell dir den extremen Wechsel bei einem Hund aus schlechter Haltung oder aus dem Ausland vor, der erst recht nicht weiß, was mit ihm passiert.  

Du kannst einem Hund aus dem Tierschutz aus Menschensicht den Himmel auf Erden bieten. Bis er wirklich ankommen und Vertrauen zu dir fassen konnte, wird dennoch einige Zeit vergehen.

Keine Dankbarkeit beim Hund – Ungeduld beim Menschen

Das Gefährliche an der erwarteten Dankbarkeit beim Hund ist die Ungeduld des Menschen. Hast du dir ausgemalt, wie sich der geschundene Vierbeiner bei dir sofort seines Lebens freut, tiefenentspannt ist, auf jedes Wort hört?

Natürlich ist er dir zutiefst ergeben. Du hast ihn schließlich gerettet!

Klaffen Erwartung und Realität weit auseinander, ist die Enttäuschung groß. Manche Menschen sind daraufhin frustriert und ungeduldig oder denken, ausgerechnet mit ihrem Hund stimmt etwas nicht. Häufig kommt auch die Frage auf, ob selbst etwas falsch gemacht wird.

Dabei sind Ruhe, Geduld, Verständnis und runtergeschraubte Erwartungen nicht nur bessere, sondern notwendige Voraussetzungen für den Aufbau von Vertrauen.  

Falsche Vorstellungen

Was erwartest du, wenn du von einem dankbaren Hund ausgehst? Gibt er sich mit allem zufrieden? Hört er ohne Training perfekt auf dich? Mäkelt er beim Essen nicht? Himmelt er dich an? Soll er auch ohne Auslastung besonders pflegeleicht sein? Oder besonders loyal, obwohl du noch keine Bindung aufgebaut hast?  

Was du als dankbares oder undankbares Verhalten wertest, ist entscheidend für den Umgang mit dem Hund.

Der Vierbeiner kann durchaus froh und dankbar sein, wenn er in einem weichen Hundebett liegt, anstatt im Zwinger. Dennoch ist alles neu und ungewohnt.

Er kann sich auch freuen, weil er regelmäßige Mahlzeiten und besseres Futter bekommt, aber dennoch nicht wissen, was du mit deinen Kommandos von ihm willst.

Überprüfe deine Erwartungen vor und nach der Anschaffung. Denn falsche Vorstellungen können dem Hund und dir das Leben unnötig schwer machen.

Versetzt du dich in die Lage des Hundes, kann das beim Verständnis helfen. Fatal und leider nicht selten ist es, dass Menschen einen Hund aus dem Tierheim wollen und lediglich das lebenserhaltende Minimum bieten – aber Dankbarkeit erwarten.

Tieren im Tierschutz geht es nicht automatisch schlecht. Es gibt Menschen, die sich um sie kümmern, Futter, Artgenossen, Training, eine feste Routine. Soll sich ein Hund nach diesem Leben damit zufriedengeben, dass es Trockenfutter, drei kurze Gassigänge und ansonsten viele Regeln und Einsamkeit gibt, hat er gar keinen Grund dazu, dankbar zu sein.

Dann wurde er lediglich aus einem nicht perfekten Leben gerissen, um nun mehr Einschränkungen und weniger Vorteile zu haben.

Auch ohne Dankbarkeit lohnend  

Ich selbst glaube, dass Hunde durchaus dankbar und froh sein können und sind. Wenn sie genug Zeit und Gründe dafür haben. Wenn sie sich endlich so sicher fühlen, dass sie in einen nahezu komatösen Schlaf fallen.

Wenn Sie wirklich ankommen, darauf vertrauen, nicht mehr wegzumüssen, sich entspannen, nicht mehr aus Angst und Hunger so schnell wie möglich ihr Futter runterschlingen und eine wirkliche Bindung zu ihren Menschen aufbauen können.

Ob sie dabei Dankbarkeit empfinden oder sich einfach nur sicher und geborgen fühlen – wichtig ist einzig und allein, dass es ihnen gut geht. Schaffst du das ein Hundeleben lang, ist das deutlich lohnender als ein vermeintlich „dankbarer“ Hund, der nur zum Aufpolieren des eigenen Egos genutzt wird und weil sich jemand als Retter fühlen wollte.

Verabschiede dich also von der erhofften Dankbarkeit und freu dich lieber darauf, ein Hundeleben zum Besseren verändern zu können.

Antwort

  1. Avatar von Ersthund – Welche Fehler sind typisch und wie kann ich sie vermeiden? – PunkrockPudel

    […] aus dem Tierschutz oder aus zweiter Hand verhält es sich ähnlich. Denkst du beispielsweise, dass sie dankbar sind oder unterschätzt du, wie groß die Umstellung ist, können die falschen Vorstellungen eine […]

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