Ein glückliches Hundeleben besteht aus körperlicher und geistiger Auslastung ebenso wie aus Ruhe, Entspannung und Schlaf. Genau wie bei Menschen müssen sich Aktivität und Erholung die Waage halten, damit dein Hund gesund bleibt und zufrieden ist. Im modernen Menschenleben wird das aber immer schwieriger. Denn: Wir muten Hunden zu viel zu.
Der Hund als besserer Allrounder – aber bitte perfekt
Therapiehund, Reitbegleithund, bester Freund und Spielgefährte der Kinder, ein Ass im Agility und natürlich perfekt still als Bürohund, Schulhund, Kindergartenhund oder „einfach nur Begleiter im alltäglichen Leben“ – die Liste der Aufgaben, denen Hunde gerecht werden müssen, lässt sich noch lange fortsetzen.
Unsere Vierbeiner sollen bereits als Welpen und Junghunde in der Hundeschule glänzen, sich draußen an uns orientieren und jederzeit abrufbar sein, gleichzeitig sollen sie uns zu Hause aber bloß nicht hinterherlaufen. Sie sollen uns überallhin begleiten, aber auch problemlos alleinbleiben und immer und überall still warten können.
Sie sollen belastbar sein und ohne großartige Vorbereitung den Großstadtdschungel mit all seinen Reizen und Stressoren überstehen, und zugleich sollen sie sich mit einer Runde um den Block begnügen, wenn wir gerade keine Lust oder Zeit haben.
Weil ich das will, muss mein Hund da eben durch
„Weil ich das will, muss mein Hund da eben durch“ – diesen oder ähnliche Sätze höre ich oft. Jedes Mal, wenn ich ihn höre oder lese, oder er versteckt hinter einer Aussage steckt, möchte ich die Person in die gleiche Lage wie ihren Hund versetzen.
Klar, auch meine Hunde müssen durch manches einfach durch. Weil ich nicht will, dass sie wegen jedem Spatzenpups im Umkreis von 3 Kilometern bellen, mussten sie lernen, so einiges nicht zu melden. Weil ich entspannt Gassi gehen und nicht windsegeln an Land will, mussten sie lernen, in meinem Tempo an der Leine zu laufen. Ich lasse nicht zu, dass sie jagen, so gerne sie das wollen. Vom Benehmen bei Tierarztbesuchen (die meine Hunde definitiv auch nicht wollen) ganz zu schweigen.
Warum betrachte ich es also kritisch, wenn andere sagen, denken oder durchblicken lassen, dass ihre Hunde da eben durchmüssen, weil sie etwas wollen?
- Weil sie nicht von unvermeidlichen Notwendigkeiten reden oder von der Sicherheit ihrer Hunde. Es ist eben nicht absolut nötig, dass der Hund mit zum Einkaufen oder in die volle Fußgängerzone geschliffen wird. Es ist nicht nötig, dass er mit ins überfüllte Restaurant oder Café kommt, zum Reitbegleithund wird oder zum Social Walk muss, obwohl er fremde Hunde hasst.
- Weil die Bedürfnisse, Persönlichkeit und Grenzen des Hundes dabei oft vollkommen ignoriert oder als Probleme betrachtet werden. Ja, mit Erziehung lässt sich eine Menge erreichen. ABER: Dass einem Hund das gewünschte Verhalten anerzogen wurde, heißt eben noch lange nicht, dass er in der Situation entspannt ist oder diese gar als angenehm empfindet. Es heißt sehr oft lediglich, dass er gelernt hat, etwas still zu ertragen.
Und sollte das der Sinn der Hundehaltung sein? Nimmt das Überhand und besteht das Leben des Hundes zu großen Teilen daraus: Kann ich dann ernsthaft noch behaupten, dass ich meinen Hund liebe?
Der „vernachlässigte“ Hund – die Ursache so vieler Probleme
„Aber ich vernachlässige meinen Hund doch nicht! Im Gegenteil, ich mache so viel mit ihm! Er kommt mit zum Treffen mit Freunden, mit auf Arbeit, mit zum Pferd, wir gehen ständig in die Hundeschule…“
Viel mit dem Hund zu machen und ihn immer überallhin mitzunehmen, klingt super, oder? Hey, da kümmert sich jemand so richtig um seinen Hund! Oder?
Nein, nicht unbedingt. Denn es geht, wie immer und überall im Leben, eben nicht nur darum, ob du viel machst. Sondern darum, was du machst.
Stell dir vor, jemand nimmt seinen Hund wirklich überall mit hin. Überall heißt bei diesem Menschen aber in die volle Großstadt, auf die überfüllte Hundewiese, ins Café, ins Restaurant, ins laute Büro und dann noch in die Hundeschule. Überall mit hin heißt bei diesem Menschen, dass der Hund ständig jemandem ausweichen muss, ständig von extremen Reizen umgeben ist, er sich ständig beherrschen muss, bedrängt wird und dann in der Hundeschule noch Leistung bringen soll.
Klingt das für dich immer noch super für den Hund? Oder nach einer Zumutung für den Hund?
Dabei ist nicht nur problematisch, dass viele anstrengende Aufgaben auf dem Tages- oder zumindest Wochenplan des Hundes stehen. Ebenso problematisch ist, dass der Ausgleich dafür fehlt. „Ausgleich? Aber der Hund schläft doch (oder soll zumindest ruhig in der Ecke liegen)!“
Jetzt stell dir vor, die gleiche Regel würde für dich gelten. Anstrengende Arbeit und Aufgaben, zu denen du dich überwinden musst UND Schlaf. Mehr nicht. Deine Freizeit wird gestrichen. Du kannst nicht mehr die Serie anschauen, bei der du so gut abschalten kannst. Deine Besuche im Fitness-Studio, die Treffen mit Freunden, das entspannende Kochen, Reiten – was auch immer du zwischen Arbeit und Schlaf machst, um deine Batterien aufzuladen und Spaß zu haben – wird abgeschafft.
Genau so gehen viele Hundehalter – oft unabsichtlich – bei ihren Hunden vor. Sie machen viel mit ihrem Hund, sie verlangen viel von ihrem Hund, aber sie vernachlässigen vollkommen, etwas für ihren Hund zu machen oder ihren Hund einfach mal machen zu lassen. Genau das ist die ungewöhnliche Variante der Vernachlässigung, bei der ein Hund zugleich überfordert und nicht ausgelastet ist.
Neugierig geworden? Morgen erfährst du im Artikel:
„Warum Hundefreizeit so wichtig ist und wie du sie gestalten kannst“
wie du für deinen Hund ganz einfach einen wirklichen Ausgleich schaffst.

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