Nein! Tatsächlich ist die Aussage nicht nur falsch, sondern gefährlich für Hunde und Menschen. Zeit also, um damit aufzuräumen. Warum ist es aber problematisch zu sagen, dass Hunde im Hier und Jetzt leben? Die Gründe erfährst du wie immer bei PunkRockPudel!
- Hunde leben im Hier und Jetzt? Einen Scheiß tun sie!
- Warum ich die Behauptung „Hunde leben im Hier und Jetzt“ hasse
- Hunde leben im Hier und Jetzt – die Gefahren
- Hunde planen voraus und erinnern sich an die Vergangenheit
Hunde leben im Hier und Jetzt? Einen Scheiß tun sie!
Meine Hündin Cooper hat heute einen vollkommen fremden Beagle angebellt. Er hat ihr nichts getan, sich nicht in ihre Richtung bewegt und wirkte auch ansonsten in keinster Weise bedrohlich oder drohend.
Warum hat also Cooper als der liebste und verträglichste Hund der Welt ein Problem mit ihm? Ganz einfach: Vor Jahren wurde sie vollkommen ohne Provokation und ohne Vorwarnung von einem Beagle gebissen.
Seither sind alle Vertreter dieser Rasse so lange der Feind, bis sie sie vom Gegenteil überzeugt haben.
Lebt sie damit im Hier und Jetzt, wie es Hunde angeblich tun? Nein. Sie ist sogar extrem verallgemeinernd und nachtragend. Und was ist sie damit noch? Nicht allein!
Hunde sitzen nicht – zumindest nicht für den Menschen erkennbar – herum und sinnieren über die Vergangenheit. Sie erinnern die Vergangenheit aber klar erkennbar sehr wohl und basieren ihr Verhalten auf ihren Erfahrungen.
Warum ich die Behauptung „Hunde leben im Hier und Jetzt“ hasse
Weil es einmal mehr eine weitverbreitete Redewendung ist, die viel zu viele Menschen glauben und perpetuieren – ohne auch nur einmal kritisch darüber nachzudenken.
Aber auch, weil die vermeintliche Weisheit schlicht und einfach falsch und gefährlich ist. Denn sie verleitet Menschen zu mehr als einem Irrglauben.
Hunde leben im Hier und Jetzt – die Gefahren
Hunde leben im Moment. Das klingt so furchtbar nett. Sie verzeihen Fehler ultimativ schnell, leben sich überall sofort ein, denken nicht zurück und sind schon gar nicht nachtragend. Nichts könnte weiter von der Wahrheit und der Realität entfernt sein!
Daraus ergeben sich gleich mehrere Probleme und zumindest potenzielle Gefahren. Zu diesen gehören:
- Hunde erhalten keinen Trost.
Wozu den Hund trösten, wenn er doch eh gleich darüber hinwegkommt und in jedem Moment eben ganz im Moment lebt? Hunde zu trösten, wird ohnehin unterschätzt oder besser gesagt vollkommen falsch eingeschätzt. Denn Trost kann viel Positives bewirken.
Heißt es dann noch, dass Trost und Schutz gar nicht nötig sind, weil der Hund alles Negative ohnehin vergisst – dann wird diese wichtige Maßnahme gar nicht durchgeführt.
2. Das Trauma bei Veränderungen wird unterschätzt.
Einer der traurigsten Sätze, die ich jemals gelesen habe, war: „Jeder Hund hat nach zwei, drei Tagen im neuen Zuhause seinen vorherigen Besitzer vergessen.“
Geschrieben wurde dieser Satz von einer vermeintlichen Expertin, die ihre Hunde reinweg als Sportgeräte betrachtete. Natürlich redete sie sich und allen anderen ein, dass „Hunde im Hier und Jetzt leben“ und mensch deswegen keinen zweiten Gedanken daran verschwenden muss, ob er seinen Hund bei Nichtgefallen mal eben weiterreicht.
Mit der Realität hat das allerdings nichts zu tun. Hunde vergessen weder ihre Halter derartig schnell noch vergessen sie, was sie in ihrem bisherigen Leben gelernt und erfahren haben.
Auch leben sie sich nicht innerhalb weniger Tage in ihrem neuen Zuhause ein. Sie wissen ja noch nicht einmal, dass es ihr neues Zuhause ist.
Hunde wissen lediglich, dass sie jetzt an einem anderen Ort und bei anderen Menschen sind und sich einmal mehr anderen Regeln fügen müssen. Damit sind wir beim nächsten Punkt angelangt:
3. Hundeverhalten wird falsch verallgemeinert.
Hunde aus dem Tierschutz und aus dem Tierheim sind immer dankbar? Klar, sie haben es doch im neuen Heim viel besser als vorher!
Nein, so funktioniert das nicht. Selbst wenn sich Menschen nur allzu gerne einreden, dass Hunde im Moment und ausschließlich im Moment leben, brauchen sie Zeit zur Umgewöhnung. Sie brauchen sehr viele Momente, um wirklich richtig anzukommen und sich wohlzufühlen.
Das beste Futter, das weichste Bett, die größte Fürsorge: All das kann vollkommen objektiv Lichtjahre besser sein als der Betonboden, das billige Trockenfutter und ständig allein zu sein. Oder mit anderen Worten das bisherige Leben dieses Hundes.
Dennoch kommt keine Dankbarkeit auf. Oder zumindest nicht direkt. Denn Hunde leben einfach nicht im Moment. Oder zumindest nicht allein in einem Moment.
Sie müssen erst einmal Vertrauen fassen, trauern anderen Lebewesen hinterher und sind das Produkt ihrer Erfahrungen und ihres Charakters. Deswegen sind manche Hunde extrem gut darin, sich in neuen Situationen einzugewöhnen und andere nicht.
4. Es spricht Hunden die Individualität ab.
Es gibt Hunde, die sind ziemlich vergesslich. Nein, damit meine ich nicht allein, dass sie komplette Mahlzeiten vergessen – nachdem sie sie gegessen haben. Obwohl das natürlich passieren kann. Also füttere deinen Hund satt!
Es gibt Hunde, die ein unglaublich gutes Erinnerungsvermögen haben. Manche sind nachtragend, andere eher ängstlich, anbiedernd und unterwürfig. Wieder andere albern ständig herum.
Hunde sind eigene Persönlichkeiten. Sie sind Individuen und ebenso wie Menschen gehen sie mit verschiedenen Situationen auch unterschiedlich um.
Wird ihnen das „Hunde leben im Hier und Jetzt“-Etikett verpasst, fällt das Eingehen auf die Individualität oftmals unter den Tisch. Genau das kann dir und deinem Hund im Weg stehen, Probleme verschlimmern oder überhaupt erst erzeugen.
5. Menschen setzen das „Leben im Hier und Jetzt“ willkürlich ein.
„Das macht er doch mit Absicht! Er weiß ganz genau…! Das haben wir so oft geübt!“
An diesen Stellen soll der Hund nicht etwa im aktuellen Moment leben, sondern erinnern, was er gelernt hat.
„Er ist doch jetzt schon drei Tage/Wochen da, warum ist er denn immer noch nicht angekommen und dankbar?“
Hier soll er dann mal eben umschalten und bitteschön im Moment leben.
Menschen haben hohe Ansprüche an Hunde. Viele verlangen viel zu viel von den Vierbeinern. Die Redewendung „Hunde leben im Moment“ gibt eine weitere Entschuldigung dafür, warum der Hund heute so und morgen so funktionieren soll. Immerhin leben die Vierbeiner doch im Moment. Außer, sie sollen sich an die Trainingseinheit von vor drei Jahren erinnern.
Hunde planen voraus und erinnern sich an die Vergangenheit
Wann immer Dobby – aufgenommen aus Pudel in Not e.V. – in einem stehenden Auto sitzt, wird er panisch. Er bellt, jault und schreit. Zuletzt in einem Auto eingesperrt, wurde er vor fast 12 Jahren. Aber er lebt trotz aller Versuche bis heute nicht im Hier und Jetzt. Seine Erinnerung hat sich zu tief eingebrannt.
Wenn meine Hündin Cooper anderen etwas abnehmen will, kalkuliert sie und erfindet. Früher rannte sie zur Tür und bellte – bis alle anderen mitmachten und sie in aller Ruhe ihr Futter oder ihre Kaustangen vertilgen konnte.
Als das nicht mehr funktionierte, bellte sie imaginäre Hunde vorm Fenster an. Sie musste dringend mit einem quietschenden Spielzeug an allen vorbeirennen, den Mülleimer umstoßen und gab auch schon die Vorstellung des verletzten Hundes.
Kurz gesagt: Cooper plant vorausschauend und schauspielert, um an ihr Ziel zu gelangen.
Weder Dobby noch Cooper sind damit Ausnahmen. Sie sind einfach Hunde, die sich erinnern und kreativ, vorausschauend planen. Auch das Planen ist etwas, das Hunden von Menschen gerne abgesprochen wird (es sei denn, ihnen kann damit eine böse Absicht unterstellt werden).
Sie sind damit auch lebende Beweise dafür, dass Hunde eben nicht immer im Hier und Jetzt leben. Stattdessen können sie über etwas aus der Vergangenheit nicht hinwegkommen und sich auf die Zukunft freuen. Wie alle intelligenten Lebewesen mit einem Gedächtnis.

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